Privatsphärenkrücken

Die Definitionen, aus denen wir unsere Welt zusammenbauen, beschreiben nicht nur unsere Welt und unser Verständnis dieser, sondern sie schränken gleichzeitig unser Sprech- und Denkvermögen ein: Die traditionelle (in konservativen Kreisen immer noch gerne propagierte) Definition von Familie als „Vater, Mutter, Kind“ beispielsweise läßt viele in der Realität existierenden Familien außen vor, genauso wie das Verständnis von „Geschlecht“ als eine einfache Entweder-Oder-Frage viele in der Realität existierenden Lebensweisen und Selbstbilder nicht erfassen kann. Beleuchten wir also mal die Defintionen von Privatsphäre.

Wir finden heute vor allem zwei unterschiedliche Definitionen von Privatsphäre in unserer Öffentlichkeit. Die erste Perspektive geht (unter anderem) auf die Autoren S. Warren und L. Brandeis zurück die 1890 in ihrem Artikel „The Right To Privacy“ Privatsphäre als „the right to be let alone“ definierten: Privatsphäre bedeutet, dass niemand das Wissen über Dich „raubt“ (der Begriff der „Daten“ war zu dem Zeitpunkt noch nicht so dominant, weshalb das, was wir heute Daten nennen, auf „Property“ (Eigentum) zurückgeführt wurde). Die erste Definiton von Privatsphäre bedeutet also, dass man nicht gezwungen wird, Daten über sich herauszugeben, bzw. geschützt ist gegen deren Öffentlichmachung; Privatsphäre ist das Recht seine Daten geheim zu halten: Wer seine Daten nicht freiwillig heraus gibt ist geschützt, sobald Daten in der freien Wildbahn sind, hat man verloren. Aus dieser Begründung heraus nehmen einige Menschen nicht am sozialen Leben im Netz teil, eben weil sie die Kontrolle über „ihre Daten“ nicht verlieren wollen.

Die zweite Definition von Privatsphäre ist moderner und findet sich bei Autoren wie Alan F. Westin in seinem Buch von 1970 „Privacy and Freedom„: Privatsphäre ist

„the right of the individual to decide what information about himself should be communicated to others and under what circumstances“.

Diese ist die vielzitierte Sicht auf Privatsphäre als Kontrolle des Flusses und der Verwendung der persönlichen Daten: Ich entscheide, wer was mit meinen Daten tun darf.

Beide dieser Definitionen basieren auf Daten und machen implizit Datenschutz zur Voraussetzung von Privatsphäre. Wenn meine Daten nicht geschützt sind, kann man sie mir „entwenden“ oder mit ihnen Dinge tun, die ich nicht authorisiert habe. Datenschutz als Konsens zweier verwandter Privatsphärendefinitionen.

Was bei beiden Definitionen von Privatsphäre auffällig ist ist ihr Fokus auf Metainformationen über Menschen unter Vernachlässigung der Bedürfnisse des Menschen. Beide Definitionen sprechen über Mechanismen, über einzelne „Tools“, die etwas spezielles erreichen oder garantieren sollen, ohne aber das eigentliche Ziel zu benennen.
Philip E. Agre und Marc Rotenberg hingegen definierten Privatsphäre 1998 in ihrem Buch „Technology and privacy: The new landscape“ als

„the freedom from unreasonable constraints on the construction of one’s own identity“

, als die Freiheit einer Person ihre Identität nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu entwickeln.

Wo die beiden ersten Definitionen sich mit Daten beschäftigen, legen Agre und Rothenberg den Fokus auf das Eigentliche: Auf eine Freiheit, die wir Menschen garantieren wollen. Diese „neue“ Definition erlaubt es uns auch, Privatsphäre klar von Datenschutz zu trennen und Datenschutz als das zu sehen was er ist: Ein Behelf, eine Krücke.

Und die Krücke Datenschutz hat sich selbst überlebt, ihre Wirksamkeit eingebüßt, wie wir schon diskutiert haben. Somit wird es Zeit unsere alten Definitionen von Privatsphäre, die sich notwendig auf Datenschutz gründen, über Bord zu werfen und durch bessere, zielgerichtetere Definition(en) zu ersetzen. Agre und Rothenberg sind ein Ansatz, doch nicht zwingend der Weisheit letzter Schluß.

Die Frage, vor der wir nun stehen, muss lauten: Was bedeutet Privatsphäre für uns und was sind die Ziele, die wir mit diesem Konzept verfolgen?

Werbung

Über tante

Chimpanzee that!
Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

11 Antworten zu Privatsphärenkrücken

  1. Dirk Burchard schreibt:

    Wenngleich mit diesem schrecklich Individualitäts-feindlichen völkischen „Wir“ dringst Du langsam zum Menschenrecht auf Informationelle Selbstbestimmung vor als der individuellen Freiheit zur Selbstdarstellung in welchem möglichst selbstgewählten Kontext auch immer.

    Zu dieser Freiheit gehört allerdings auch die Entscheidung, in welchen sozialen Strukturen jemand seine Individualität einbringen will oder eben nicht. Man hat nämlich nicht deshalb verloren, weil man etwas von sich preisgibt, sondern allenfalls, wenn das Umfeld, in dem man dies tut, aggressiv darauf reagiert oder vielleicht einfach nur keinen Ertrag bringt. Das ist eine zumeist bewußte Entscheidung und hat wenig mit Angst vor dem Verlust seiner Privatsphäre zu tun. Ich nehme zum Beispiel auch nicht am „sozialen Leben“ auf Facebook teil, weil mich das irgendwie nie gereizt hat, und seit jener Episode dazu von „The IT Crowd“ habe ich auch witzige Bestätigungen meiner Intuition vor Augen und kann über den Big-Brother-Aspekt sowieso lachen.

    Dabei ist Datenschutz aber keinesfalls eine Krücke, sondern ein absolut notwendiges Mittel zur Sicherstellung von Informationeller Selbstbestimmung. (Fast) jeder möchte selbst entscheiden, wo und wie er sich einbringt. Man muß schon arg realitätsfern leben, um freiwillig diesen ohnehin schon nur sehr geringfügig entwickelten Datenschutz über Bord zu werfen, den dieser Staat gerade noch gewährleistet, um von seinen Datenbanken oder jenen Dritter nicht auf irgendein Persönlichkeitsklischee reduziert zu werden, an dem sich so mancher repressionsgeile Beamte dann seine Staatsbesoldung „erarbeitet“ bis von individuellen Freiheiten dann praktisch nichts mehr übrig bleibt. Terry Gilliams „Brazil“ ist leider viel realistischer als manch einer glauben mag. Jener die individuelle Freiheit sichernde Datenschutz ist aber unbedingt zu trennen von jenem vorgeschobenen Datenschutz, mit dem Herrschaftswissen gegen berechtigte Forderungen nach Informationsfreiheit verteidigt wird.

    • tante schreibt:

      Man hat nämlich nicht deshalb verloren, weil man etwas von sich preisgibt, sondern allenfalls, wenn das Umfeld, in dem man dies tut, aggressiv darauf reagiert oder vielleicht einfach nur keinen Ertrag bringt. Das ist eine zumeist bewußte Entscheidung und hat wenig mit Angst vor dem Verlust seiner Privatsphäre zu tun.

      Wenn Du Dir die Definition von Privatsphäre, die Agre und Rothenburg vorgeschlagen haben, durchliesst, merkst Du, dass Dein Beispiel gar kein Problem mehr darstellt und auch niemand „Privatsphäre“ aufgeben möchte.

      „Dabei ist Datenschutz aber keinesfalls eine Krücke, sondern ein absolut notwendiges Mittel zur Sicherstellung von Informationeller Selbstbestimmung. „

      Das ist eine Beheuptung, die Du sicherlich aufstellen kannst und die dem vorherrschenden Dogma von Datenschutz als notwendiger Bedingung von Privatsphäre entspricht, die aber hier auch einfach nur als Behauptung ohne Begründung im Raum steht nur um dann in irgendwelchen Verschwörungstheorien zu enden.

      Die Idee der „informationellen Selbstbestimmung“, die Du hier immer wieder als notwendig in den Raum wirfst ist auch nur eine weitere Paraphrasierung des von Westin geprägten „Privatsphäre ist Datenkontrolle“ Konzeptes, welches ich in meinem Text schon als zumindest am Ziel vorbei konzipiert dargestellt habe. Es als gegeben zu betrachten und daraus einen Widerspruch zu anderen interessanten und zielgerichteteren Privatsphärenonzepten zu konstruieren, halte ich für die Diskussion als wenig hilfreich.

      • Dirk Burchard schreibt:

        Die von Dir zitierten Definitionen hatte ich mir selbstverständlich durchgelesen, und sie auch verstanden, bin allerdings – da Du hier ja ein Mißverständnis mutmaßt – seit rund einem dutzend Jahren der Ansicht, daß man seine Identität nicht konstruieren kann, weil die erst im sozialen Austausch entsteht, für den dann aber die Freiheit zur Selbstdarstellung notwendig und damit das Menschenrecht auf Informationelle Selbstbestimmung unverzichtbar ist.

        Wenn Du hingegen behauptest, ein Menschenrecht auf Informationelle Selbstbestimmung als individuelle Freiheit zur Selbstdarstellung, ginge am Ziel vorbei, dann sag hier doch einfach klar, was Dein Ziel ist und was für einen Staat Du haben willst, dessen Datensammlungen über Individuen und damit auch repressive Maßnahmen auf der Grundlage dieser fremddefinierten Persönlichkeitsprofile nicht jedenfalls durch Datenschutz begrenzt werden sollen.

        Wenn Du nämlich dieses bißchen Freiheit, das gegen diesen Staat erstritten worden ist, auch noch preisgeben willst, dann will ich Dir jedenfalls um’s Erbrechen nicht hilfreich sein.

        • tante schreibt:

          Wenn Du also allen Prämissen hier grundsätzlich als Glaubenssatz widersprichst, wie genau soll so eine Diskussion funktionieren? Aber egal, zum Thema.

          Ich behaupte oder fordere, dass wir Definitionen wieder am Ziel festmachen und nicht am Mechanismus. Betrachten wir Deinen Einwurf: Du sprichst von der „Freiheit zur Selbstdarstellung“ als Ziel und wirst damit wiederum den Begriff der „informationellen Selbstbestimmung“ in einen Topf.

          Wenn mein Text hier nur eine Sache klar machen sollte, dann dass es ein logischer Fehler ist, diese beiden Dinge miteinander zu verquicken: Freiheit der Selbstdarstellung ist ein Ziel, informationelle Selbstbestimmung ein Mechanismus, der angeblich das Ziel zu erreichen ermöglichen soll. Das sind ganz einfach zwei unterschiedliche Konzepte.

          Auch Dein Fokus auf Staaten hilft uns hier nicht weiter sondern wirkt (auch wenn Du das wahrscheinlich gar nicht so meinst) eher verschwörungstheoretisch: „Gefahr“ für „meine Daten“ geht ja nicht nur vom Staat aus, sondern auch von Firmen/Geschäftspartnern und von allen Menschen in meinem Umfeld, meiner Familie, meinen Freunden, meinen Arbeitskollegen.

          Dieser Fokus auf den bösen Staat ist historisch ja auch gar nicht von der Hand zu weisen, er leitet uns aber in eine gerade wenig hilfreiche Richtung: Du sprichst von einem einzelnen Drohpotential (welches ich gar nicht bestreite), ich spreche davon, ganz allgemein ersteinmal zu entscheiden, was wir wollen und welche diversen Mechanismen uns zur Verfügung stehen (warum Datenschutz/DRM nicht funktioniert, habe ich schon ausgeführt), um dann, wenn das Konzept fertig ist, zu sehen, ob es Einzelfallprobleme gibt mit dem Staat oder Firmen oder sonstwem.

          Du nimmst eine sehr spezielle Bedrohung wahr (den Staat als Datensammler) und willst alles tun, um Dich dagegen zu schützen, läufst dabei aber Gefahr, an anderen Problemen zu scheitern: Du baust Dir einen „Safe Room“, damit Dich die Einbrecher nicht erschießen, aus dem Du aber im Falle eines Brandes nicht schnell genug heraus kommst.

          Außerdem wäre ich vorsichtig, Aussagen über meine Vorstellungen von Staat und struktureller Gewalt aus zwei oder drei Texten über Datenschutz abzuleiten.

          • Dirk Burchard schreibt:

            Ohjeh, Deine Prämisse ist hier eigentlich nur, daß Datenschutz eine Krücke ist, und Deine Methode zur „argumentativen“ Durchsetzung, daß Du diese Annahme unter eine Zusammenstellung von Zitaten setzt, in der Hoffnung, jeder würde glauben, da bestünde ein logisch konsequenter Zusammenhang.

            Freiheit zur Selbstdarstellung funktioniert selbstverständlich nur, wenn das Individuum grundsätzlich über seine Informationen auch selbst bestimmen kann und der Staat hier grundsätzlich nicht, sondern allenfalls in entsprechend begründeten Ausnahmefällen eingreift. Deine Behauptung, das seien zwei unterschiedliche Dinge, bedeuten ungefähr dasselbe, als würdest Du jemandem die Füße in Beton gießen und ihm dann zubilligen, sich frei zu bewegen.

            Und was Du hier penetrant als Verschwörungstheorien abkanzelst, könnte ich Dir mit zahlreichen echten Fällen belegen, wenn das nicht indiskret gegenüber den Betroffenen wäre. Staatliche Handlungsformen sind nunmal vor allem repressiv, und wenn Staat für Dich immer noch heißt, daß ein dicker Mann alles für Dich regelt, so daß Du für Konsum und Verblödung auf der Straße tanzen kannst bis die Bäume im Tiergarten in Deinem Urin ersaufen, dann bist Du leider in den 90ern stehengeblieben.

            Während ich hier allerdings konsequent von Freiheitsrechten rede, auf die sich jeder einzelne auch berufen können soll, versuchst Du die Diskussion ständig auf davon abstrahierte Begriffe wie Privatsphäre zu ziehen, um dann die Herrschaft des Individuums darüber in Frage zu stellen, weil es sich ja angeblich damit einsperren würde und nicht gerettet werden könnte, wenn’s mal irgendwie brennen sollte. Welche Apokalypse droht mir denn bitte, wenn ich mich nicht vom Staat fremddefinieren lasse?

            Ich möchte mich auf dieser Welt wenigstens halbwegs frei bewegen können und dabei offen für die Selbstdarstellungen anderer sein, ohne ständig mit irgendwelchen regelmäßig schematisiert abqualifzierenden Persönlichkeitsprofilen konfrontiert zu werden, die andere hinter meinem Rücken zusammengebastelt haben – oder hat Dir das eben etwa gefallen, als mißratene Brut der Kohl-Ära abqualifziert zu werden, was ich allerdings nicht hinter Deinem Rücken getan habe? Jedoch erlauben Deine Ausführungen hier durchaus, Dich wenigstens verdachtsweise in so eine Schublade zu stecken, und wenn es dazu eine Datenbank gäbe, sowie die Rote Flora in Hamburg sich verhalten würde wie der deutsche Staat, würdest Du mit diesem Eintrag dort zum Beispiel keine Party besuchen dürfen.

            Der Staat als Datensammler ist eine tatsächliche Bedrohung, gegen die ich mir erst gar keinen „safe room“ zu bauen brauche, weil meine Informationelle Selbstbestimmung für mich der Normalfall ist und dieser Staat einfach kein überzeugend begründbares Recht hat, zum Beispiel per Vorratsdatenspeicherung potentiellen Zugriff auf meine Surfgewohnheiten für Kriminalisierungszwecke zu bekommen.

            Ich habe hier nun allerdings schon mehrfach angeregt, das Augenmerk eher auf jene Aspekte zu richten, wo tatsächlich Schindluder im Namen des Datenschutzes getrieben wird, und das ist die Informationsfreiheit. Zum Menschenrecht auf Informationelle Selbstbestimmung gehört nämlich nicht nur daß der Staat, wenn er schon in besonders begründeten Ausnahmefällen personenbezogene Daten erhebt, diese auch schützt. Es gehört auch dazu, daß sich der einzelne über seine personenbezogenen und über allgemein erhobene Daten informieren kann. Ist das tatsächlich einfach, vollständige Auskunft zu erhalten, welche Daten dieser Staat über sich mit welcher Begründung gespeichert und wozu er sie verwendet hat? Oder ist das bei nichtpersonenbezogenen Daten möglich, diese kostenlos und ohne rechtfertigenden Nachweis seines Interesses einzusehen, wenn jemand zum Beispiel in der Nachbarschaft eines Atomkraftwerks Zweifel an einer effektiven behördlichen Kontrolle von dessen Betrieb hat? Ein Staat, der die Informationelle Selbstbestimmung seiner Bürger nicht durch Datenschutz und Informationsfreiheit gewährleistet, wird das leider auch nicht bei privatwirtschaftlichen Datensammlungen schaffen. Das sind die echten Datenschutz-Baustellen, aber Dein Versuch, das Rad neu zu erfinden und dafür Freiheitsrechte über Bord zu werfen, ist einfach nur gruselig. Als Du hier mal nach Definitionen zur Privatsphäre gesucht und zumindest auf weiterführende Gedanken gekommen bist, hätte ich wenigstens gedacht, daß Du die Kurve noch kriegst…

  2. Martin schreibt:

    Es scheint mir nicht sinnvoll, den Datenschutz und die Privatspähre komplett zu entkoppeln, zumindest nicht im praktischen Denken. Wie Dirk Burchard ja ausführlich zu erklären versucht hat, gehört zu einem gewissen Grad an freier Entfaltung auch immer ein gewisser Grad an Selbstbestimmung.
    Dabei geht es aber immer noch um „Informationen“, man könnte also wohl sagen, dass Datenschutz schon mal nicht Synonym mit Privatsphäre ist, Informationen sind ja auch nicht automatisch Daten und umgekehrt.
    Gleichzeitig ist Datenschutz auch nicht in jedem Fall ein Werkzeug der Privatsphäre, sondern nur dort wo Daten generiert werden und ich über sie bestimmen muss. Es steht ja nun aber die These im Raum, dass praktisch immer Daten generiert werden. Sollte dem so sein, dann mag deine Position ja theoretisch Wasser halten, praktisch würde ich aber eher auf der Seite von Dirk stehen.

    • tante schreibt:

      Sobald Du Dich in der Welt bewegst, sobald Du mit anderen Entitäten kommunizierst, entstehen Daten, schon bevor es das Internet gab: Wenn Du raus in die Welt gehst, sehen Dich beispielsweise Menschen und Kameras. Bevor die Daten elektronisch waren, war es nur deutlich schwerer und teurer sie sinnvoll zusammenzuziehen und zu analysieren.

      Diese Idee der „Selbstbestimmung“ ist richtig, ich bin nur frei, wenn ich Entscheidungen treffen darf, aber gerade bei den „Daten über mich“ habe ich diese Kontrolle faktisch nicht, welchen Sinn ergibt es da, weiter von der Kontrollierbarkeit der Daten auszugehen?

      • Martin schreibt:

        Vielleicht sollte man aus dieser Perspektive aber auch einen Unterschied von Daten und Daten machen. Vielleicht so: Potentielle Daten und tatsächliche Daten (manches) oder selbsterzeugte Daten und fremderzeugte Daten oder eben schützenswerte Daten und nicht-schützenswerte Daten. Wobei was schützenswert, tatsächlich und selbsterzeugt ist, die Schnittmenge an Daten darstellt, die unter diese Selbstbestimmung fällt. Ähnlich wie (fremde) Gedanken frei sind, sind auch fremde Daten frei. Aber das stimmt eben nicht für meine eigenen und auch nicht für die, die wir gesellschaftlich als „eigene“ Daten erklären. Darüber sollte ich in Abwägung aller anderen Rechte, die mir der Staat zubilligt, bestimmen können.

        • tante schreibt:

          Ich glaube, dass eine solche Trennung von Daten zwar für einige Sachen funktioniert, aber das grundlegende Problem nicht löst. Ein Beispiel:

          Ich treffe mich mit FreudX ind einem CafeY. FreundX will alles geheim halten (Selbstbestimmung und so), ich poste aber auf $SOCIAL_NETWORK: „Sitze mit FreundX im CafeY“. De Information, dass wir gemeinsam irgendwo sitzen betrifft uns beide, ist personenbezogen für uns beide. Sicherlich könnte ich auch nur schreiben „sitze im CafeY“, aber vielleicht möchte ich ja meine Wertschätzung für FreundX kommunizieren (ich verbringe immerhin Freizeit mit ihm/ihr). Die Trennung in solcherlei Hinsicht ist oft eben nicht trivial.

          Aber genug zu meiner Sichtweise, was schlägst Du denn als Trenner vor, welche Daten müssen denn geschützt werden? (Vielleicht habe ich ja auch nur ein gutes Argument übersehen?)

          Freue mich auf Deine Antwort!

          • Dirk Burchard schreibt:

            Kein Wunder, daß es so oft Streit um veröffentlichte Sex-Videos gibt, wenn Menschen sich schon nicht bezüglich ihrer Café-Besuche arrangieren können oder wollen.

            Geschwätzige Freunde sind nun wirklich kein neues Phänomen, das es nicht schon vor dem Internet gegeben hätte. Das ist eine Frage von Achtung der Integrität anderer im sozialen Nahbereich, wenn Du das noch zu einem Datenschutz-Problem unter Juristen machen willst, ist die Freundschaft sowieso zu Ende.

            Und Martin, der Staat billigt Dir keine Rechte zu, Du hast sie qua Existenz als Menschenrecht zum Leben, wie Du es willst (selbstverständlich mit der Notwendigkeit, Dich mit anderen zu arrangieren), und der Staat muß begründen, warum er in Ausnahmefällen eingreift. Das ist ganz wichtig, daß Du nicht erst den Staat zu fragen brauchst, der Dir Deine Freiheit daher auch gar nicht gewährt, sondern sie Dir zu gewährleisten verspricht.

            Wenn Du das nämlich bist, der mit tante im Café sitzt und Eure Meinungsverschiedenheit eskaliert, wird dort jemand wohl irgendwann die Polizei rufen, und dann wird die Frage relevant, wer wessen Integrität mit Online-Tratsch oder Beharren auf Privatsphäre verletzt hat. Dann sind sogar Fälle denkbar, daß tante gewinnt, wenn er zum Beispiel vorher klargestellt hat, daß er sein gesamtes Leben online ausplaudert. Wer dazu bewußt erklärt hat, das sei ihm egal, kann sich hinterher kaum noch auf seine Privatsphäre berufen. Das ist ein Problem des Einvernehmens im Einzelfall und keinesfalls Datenschutz als Privatsphärenkrücke.

  3. Benni schreibt:

    Identitäten zeichnen sich doch aber gerade dadurch aus, dass sie nicht selbst gewählt sind. Ich kann ja bestenfalls aus einem vorgegebenen Strauß von Identitäten mir was raus suchen. Wie passt das jetzt zusammen?

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s