Das Geheimnis

Seit einigen Tagen nun verfolge ich aktiv die Kommentare in Richtung der und über die Spackeria und ich stolpere immer wieder über das Missverständnis, dass die Spackeria ja angeblich fordern würde, dass jeder und jede alles von sich veröffentlich sollten (in seiner absurden Konsequenz bis hin zum Vorwurf, die Spackeria sei für eine Vorratsdatenspeicherung). Um an dieser Stelle Klarheit zu haben, betrachten wir den Gegenpol zum globalen Veröffentlichen, das Geheimnis.

Ich als Person, als @tante habe Geheimnisse, sogar eine ganze Menge. Passwörter oder private Keys, die mir Zugang zu meinen Emails, meinem Jabber Account, meinem Server oder auch nur meinem persönlichen Laptop geben beispielsweise. Diese Daten sind privat und geheim und sie sollen es auch unbedingt bleiben, ich erreiche das über einen ganz simplen Trick: Ich gebe sie an niemanden weiter.

Jeder von uns kann ganz einfach jede Menge Geheimnisse haben und diese können de facto jeden Lebensbereich betreffen: Genauso wie ich meine Passwörter geheim halte, kann ich viele Informationen über mich und meine Sicht der Welt nur in meinem Kopf belassen (nicht alle schon alleine weil der Staat und die diversen Pflichten und Verwaltungsakte mir eine Menge solcher Informationen abringen). Wir sehen also, ein „Spacko“ sagt, dass man Geheimnisse haben kann, darf und soll.
Worüber hier bei der Spackeria viel gesprochen wird, sind eben nicht Geheimnisse sondern die Daten, die ich mit anderen teile, zum Beispiel meine persönlichen Fotos auf irgendeinem Sozialen Netzwerk. Ich lade Fotos von mir auf ner Party hoch und sage, dass „nur meine Freunde“ das sehen dürfen, ich habe meine Daten so zu sagen mit Nutzungseinschränkungen publiziert. Und hier setzt die Kritik an.

Ich fasse es mal ganz platt zusammen: Wenn ich Daten von mir heraus gebe, dann kann ich sie nicht mehr kontrollieren. Natürlich kann ich meinen Freunden vertrauen (und das tue ich sonst wären sie wohl nicht meine Freunde), aber wenn nur einer meiner Freunde aus böser Absicht oder aus Versehen „meine“ Daten weiterträgt, ist meine Einschränkung aufgehoben. Denkt mal zurück an die Schule. Da war man dann plötzlich verknallt in das Mädel X oder den Jungen Y und erzählte das seinem „besten Freund“ oder seiner „besten Freundin“: „Aber das darfst Du nicht weitersagen!“ Der Freund/die Freundin ist später mit anderen unterwegs und verplappert sich und am nächsten morgen steht man dann mit hochrotem Kopf in der Klasse und wird verspottet. Wenn ich die Daten für mich behalten hätte, wäre das alles nicht passiert, aber das ist für den Menschen als soziales Wesen nunmal keine sinnvolle Option: Wir wollen kommunizieren, uns weiterentwickeln, und das geht vor allem im Austausch mit anderen.

Die Spackeria fordert in dem Sinne keineswegs, alles offen zu legen, ganz im Gegenteil, ein echtes Geheimnis funktioniert weiterhin. Was die Spackeria kritisiert ist der Glaube an funktionierenden Datenschutz, das Versprechen, dass Daten, die man anderen in die Hand gegeben hat, weiterhin unter der eigenen Kontrolle stehen und man Beschränkungen auf ihnen definieren und deren Umsetzung erzwingen kann. Dabei ist der Kontrollverlust eine Beschreibung des so genannten „worst case“: Im alltäglichen Leben teilen wir ganz natürlich Geheimnisse mit unseren Vertrauten und sie bleiben geheim weil sich die Menschen unseres Vertrauens würdig erweisen. Doch das ist keine Kontrolle, die vom Ursprung des Geheimnisses ausgeht, es ist ein Gefallen, den alle Vertrauten dieser Person tun.

Des weiteren schränkt die Spackeria eure Entscheidungsfreiheit nicht ein: Ihr selbst entscheidet weiterhin (innerhalb des schon bestehenden Rahmens), was ihr über wen publiziert. Die Spackeria stellt nur – als Realitätsbeobachtung – fest, dass die Daten, die ihr aus der Hand gegeben habt von euch nicht mehr kontrolliert werden können. In der Hinsicht ist man also sogar gar nicht weit weg von vielen Datenschützern: Die Spackeria will das Bewusstsein verschärfen, dass man bezüglich der eigenen veröffentlichten Daten keine wirksame Kontrolle mehr ausüben kann, analysiert technische Massnahmen als reine Placebo-Aktionen und will nun darüber diskutieren, ob es in Zukunft noch einen „Schutz“ von Daten geben kann und soll und wenn ja, wie dieser aussehen kann.

(Dank an @fasel und @schlipsnerd für Kommentare zum Text)

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24 Antworten zu Das Geheimnis

  1. LFalkenburg schreibt:

    Ich versuche das mal in einen anderen Lebensbereich zu transferieren.

    Wenn ich irgendwo eine Wand aufstelle und diese nicht 24h, 7 Tage die Woche überwachen kann es, nein wird es auf Grund der allgemeinen Erfahrung und immer häufiger gemachten Beobachtungen passieren, dass sich darauf ein Sprayer verewigt. Ich fordere daher, dass Graffitis an vom öffentlichen Raum erreichbaren Wänden grunsätzlich erlaubt und straffrei sein müssen. Der Kontrollverlust, wenn man viele Wände aufstellt und das tun in unserer moderenen Gesellschaft ja immer mehr Leute, als zum Beispiel noch vor ein paar hundert Jahren, ist in dem Moment eingetreten, in dem ich eine Wand an einen öffentlichen Raum grenzend aufstelle.

    Graffitis sind ja inzwischen Teil unserer normalen Kultur geworden und gar nicht mehr weg zudenken. Von daher kann nur teilhaben, wer Wände mit Graffitis hat. Nicht, dass hier der falsche Gedanke entsteht, ich würde fordern jeder darf eure Schlafzimmerwand vollsprühen. Nein, das ist natürlich etwas völlig privates und dort gehören keine Graffitis hin, wenn Ihr es nicht selbst wollt. Selbst, wenn Ihr nicht selbst 24/7 auf eure „öffentlichen“ Wände aufpassen könnt, könnt Ihr natürlich ein Schild an die Wand schrauben – aber das ist reine Glücksache, ob sich jemand daran hält, ein Gefallen sozusagen… blablabla

    Merkt Ihr was? Wenn nicht, fordert doch bitte gleich noch Graffiti für alle, damit unsere Welt noch ein wenig bunter wird (nicht nur durch „bunte“ geistige Ergüsse) und ja, manchmal muss man sich einfach eine andere Brille aufsetzen und ein Sache erneut betrachten… das ist aber eine Frage der Lebenserfahrung. Ich denke man sollte euch verzeihen, dass Ihr Bäume ausreißen wollt, wo keine sind bzw. zum Glück keine stehen.

    • tante schreibt:

      Wir müssen Deine Allegorie mal ein wenig aufpolstern, damit sie auch trifft. Es ist ja nicht nur so, dass es Sprayer gibt, die Dir die Wand verunstalten (ungewünschtes Verhalten), es gibt ja auch noch dieses Wand-Schutz-Mittel (die Datenschutztechniken). Leider ist das Mittel homöopathisch und funktioniert faktisch nicht (wenn das wem auffällt wars immer ein fehler bei der Anwendung, niemals ein konzeptioneller).

      Die Spackeria kritisiert (in Deinem Bild) die Verkäufer des Mittels und das Mittel selbst, weil es Menschen suggeriert, dass sie durch das Kaufen des Mittels sicher wären.

      (auf die ad hominem Angriffe gehe ich mal nicht ein, wir tun einfach beide so, als wäre das nicht passiert, ganz im Sinne digitaler Radiergummi ;))

      • LFalkenburg schreibt:

        Ich sehe keine ad hominem Angriffe und wenn dann gleichfalls auch im Zuge der Autoattacke von daher denke ich zieht den Schuh wirklich nur der an der passt 😉

        Ich halte Datenschutz für kein homöopatisches Mittel, denn es wirkt in vielen Bereichen sehr gut. Es ist eine Menge Arbeit aber bisher steht nur das über mich im öffentlichen Teil des Internets, was ich selbstbestimmt freigegeben habe. In den letzten 15 Jahren musste ich dafür natürlich auch etliche mehr oder weniger lange Schlachten führen… Datenschutz setzt leider eines voraus, Medienkompetenz und ich denke anstelle Datenschutz abschaffen zu wollen, weil man selbst unter dem Kontrollverlust leidet (weil vielleicht einige Fehler gemacht wurden?)

        Es gibt noch ein weiteres Problem, sich in einer überwiegend von Anonymität geprägten rasant schnellen Umgebung überwiegend unfallfrei zu bewegen (was nicht immer gelingt, logisch), setzt Nerven, eigene Geschwindigkeit und Selbstbewusstsein voraus. Das wird schlussendlich einer der „Knackpunkte“ in der Entwicklung des social Internernets werden. Des das social Internet ist vor allem eines, asozial! Und ein verdammt hartes Pflaster.

        • LFalkenburg schreibt:

          Arg! Und wieder keine Editfunktion -.- „…bisher steht nur das über mich im öffentlichen Teil des Internets, was ich selbstbestimmt freigegeben habe.“ muss heissen „….bisher steht nur das über mich im öffentlichen Teil des Internets, was ich selbstbestimmt freigegeben oder _hingenommen_ habe.“

        • LFalkenburg schreibt:

          Meine Fresse, ist zu spät… morgen wieder – die Schreibfehler sind gratis! Ich halte es mal wie Goethe: Jeder möge schreyben, wie es ihm gefalle, hauptsache der andere verstehe ihn.

        • tante schreibt:

          Ich werte Dein häufiges Rekurrieren auf das angeblich so geringe Alter (und die damit verbundene Unwissenheit) der Spackeria Autoren schon als ad hominem Angriff (trotz meines Alters von 31) ebenso wie Deine Unterstellung die inhaltliche Kritik der Spackeria sei nur ein Reflex darauf, dass wir das für uns selbst mit dem Datenschutz nicht hinbekommen hätten. Aber egal, inhaltlich weiter.

          Du sagst, dass Datenschutz funktioniert, weil über Dich nur im Netz steht, was Du selbst publiziert oder zumindest geduldet hast. Schön und gut. Wenn Datenschutz wirklich funktionierte, dann könntest Du jetzt ja auch entscheiden, irgendeines dieser Daten zurückzuziehen (sonst ists ja ne wirklich maue Kontrolle, wie Du gerade analog beim Kommentar Post festgestellt hast), wie gut funktioniert das mit dem zurückziehen?

          Die vom Datenschutz versprochene „Kontrolle“ wird nicht vom Datenschutz selbst geliefert sondern maximal durch eigene Datensparsamkeit. Das ist ja auch schon mehrfach so gesagt worden: Ich nehme nicht an der Kommunikation oder sozialen Netzen teil, dann entfleuchen mir da meine Daten auch nicht. Doch diese „Verweigerung“ lässt sich nicht konsequent zu Ende durchführen: Schon vorm Internet kamen Informationen über Menschen in den Umlauf, die diese nicht im Umlauf haben wollten. Dann wurden sie über Gerüchte und Tratsch weitergegeben und man konnte sie schon damals nicht wieder einfangen.

          In deinem letzten Absatz erkenne ich halt die typischen Schlagworte (gerade auch im wissenschaftlichen Bereich): „Datenschutz funktioniert ja allgemein wir müssen da nur an den technischen und legalen Implementierungen drehen, dann läufts. Oh ja und der Rest ist die Schuld des einzelnen, der oder die muss halt Experte werden und das alles souverän handhaben (auch als Schulkind).“

          Die Probleme mit dem Datenschutz sind aber eben keine der Implementierung sondern des Konzeptes. Genauso wie der „Hack“ dann einfach noch hinzuzufügen, dass die Einzelperson ja auch perfekt informiert und in der Lage ist dort immer die richtigen, weitsichtigen Entscheidungen zu treffen, keine Unterstützung des Datenschutzkonzeptes liefert sondern nur sein Versagen zeigt.

          • Dirk Burchard schreibt:

            Die vom Datenschutz versprochene „Kontrolle“ wird nicht vom Datenschutz selbst geliefert sondern maximal durch eigene Datensparsamkeit.

            „Datensparsamkeit“ ist technisch-methodischer Datenschutz und geboten zur Sicherstellung von maximaler Informationeller Selbstbestimmung. Das bedeutet, nur so viele Daten zu erheben, wie zum jeweils legitimierten Zweck notwendig sind. Nach diesem Datenschutz-Grundsatz sind zum Beispiel Kameraüberwachungen in Umkleidekabinen verboten, weil es massiv geringfügigere Mittel gibt, um Ladendiebstahl zu unterbinden. Kannst Du natürlich auch umdrehen und die zurückhaltende Datenpreisgabe in Fällen, in denen man sich das auch mal wirklich freiwillig aussuchen darf, ebenso als „Datensparsamkeit“ bezeichnen, ist aber eine Deiner typischen Vermengungen von Begrifflichkeiten, die letztlich im Nichts enden, so wie Deine Behauptung:

            Wenn Datenschutz wirklich funktionierte, dann könntest Du jetzt ja auch entscheiden, irgendeines dieser Daten zurückzuziehen

            Wer selbständig eine Entscheidung zur Veröffentlichung gefällt und damit seine persönliche Datenherrschaft aufgegeben hat, kann nun wirklich nur sich selbst dafür verantwortlich machen. Du hast keine Ahnung, was Datenschutz ist, sowie aus welchen Theorien zur Informationellen Selbstbestimmung seine Methoden abgeleitet werden, aber es gefällt Dir, dagegen zu sein. Spackeria at it’s best.

            Im übrigen ist die Spackeria nur ein Blog bei WordPress und damit ein Forum zu einem bestimmten Thema, mit dem Aufmerksamkeit generiert wird. Ich bin ziemlich sicher, daß von dieser Spackeria, also von den aktiv Beiträge schreibenden kein homogener Standpunkt zu irgendetwas und damit auch kein konkreter Katalog mit Antworten auf die hier verwursteten gesellschaftspolitischen Baustellen zustandekommen wird. Viele Arbeitnehmer werden sich wahrscheinlich schon freuen können, wenn beim künftigen Arbeitnehmerdatenschutzgesetz ebensowenig rauskommen wird. Ist aber als Phänomen durchaus interessant zu beobachten…

    • fasel schreibt:

      die Forderung Graffiti zu entkriminalisieren teile ich durchaus, aber du wolltest das Gleichnis wohl auf den Artikel beziehen.

      hm.

      nee, gelingt mir beim besten Willen nicht den Bogen zu spannen

  2. Pingback: Spackeria hat Geheimnisse, daher: Graffiti für alle…. | Web-Kommentare...

  3. Stephan Packard schreibt:

    Soweit das zutrifft, was hier an persönlicher Freiheit zum Teilen oder Nichtteilen vorausgesetzt wird, finde ich das überzeugend.

    Was mir hier weiterhin — wie schon bei früheren Posts in der Spackeria — fehlt, ist Aufmerksamkeit für diejenigen Informationen, die wir unabsichtlich teilen, erstens weil andere sie ohne Nachfrage online stellen, oder zweitens weil eine private Kommunikation mit einem anderen Menschen weniger gut geschützt war als angenommen, oder drittens weil die privaten Informationen aus den von uns freiwillig eingestellten Informationen erschlossen werden können, ohne daß wir das beim Einstellen geahnt haben.

    Aus dem Kontrollverlust, den es in dieser Hinsicht tatsächlich gibt, folgt für mich, daß Geheimnisse eben nicht weiterhin funktionieren, wenn man sie nicht anderweitig schützt. Gegen die Schutzmechanismen bin ich durchaus auch mißtrauisch, weil sie schnell zu Kontrollstrukturen werden. Das werden wir in den nächsten Jahren jeweils abwägen müssen. Aber es hilft, glaube ich, nichts, so zu tun, als wären unsere Geheimnisse und unsere Privatsphäre im selben Maße wie zuvor unserer freien Entscheidung unterworfen.

    • tante schreibt:

      Ich habe zu den „unwillentlich geteilten“ Daten bisher noch nichts geschrieben, weil ich die Grundsatzdiskussion ausserhalb des „Panik, der Staat oder Firmen holen sich Infos über dich gegen deinen Willen“-Raums besprechen wollte (denn das führt nach meinen Erfahrungen sehr schnell zu komischen, verschwörerischen Beißreflexen).

      Über die Problematik haben wir allerdings schon im Chatroom einige Gedanken ausgetauscht, komm doch mal vorbei, es scheint ja so zu sein, als ob Du da auch einige Ideen hast!

  4. foo schreibt:

    Diese Ansichtsweise mag gerade im Social Web gar nicht mal verkehrt sein. Zumal sie vielleicht wirklich die Sinne der Nutzer schärft, was sie ins Netz stellen und was nicht.

    Unser tägliches Leben ist aber kein Social Web. Auch wenn viele dies hier zum Großteil des Tages leben und einige sich vielleicht auch kaum mehr „woanders“ bewegen. Beim Datenschutz geht es doch auch darum, eine Handhabe gegenüber juristischen Personen zu haben denen man eben kein bzw. niemals Vertrauen schenken kann – und vielleicht sollte – es aber muss, weil einem sonst ein übliches Leben in dieser Gesellschaft nicht möglich ist. Ich muss solchen Institutionen teilweise persönliche Geheimnisse, notgedrungen, anvertrauen, obwohl ich diesen mit Argwohn gegenüberstehe.

    Wie sehr unser Vertrauen hierbei eben nicht berechtigt ist, hat allein das Jahr 2010 deutlich gezeigt. Wir brauchen daher einen Gegenpol, eine rechtliche Handhabe, die jene Institutionen daran erinnert, dass sie mit unseren Geheimnissen eben ehrenhaft vertrauenswürdig umgeht und nicht überall weiterreicht. Natürlich gibt es keinen 100%igen Schutz, keinen 100%ig funktionierenden Kontrollmechanismus, wie bei keinem Gesetz. Nur muss es jenen auch Bewusst sein, dass ein Vertrauensmissbrauch Konsequenzen hat.

    Früher hat man seinen Freunden, gerade im kindlichen Alter, oft auch gedroht. Wenn sie Geheimnisse weitertratschen , also das Vertrauen missbrauchen, zieht dies Konsequenzen mit sich. Man erinnere sich nur an den Satz „Sonst sind wir keine Freunde mehr!“. Das ist bzw. war manchen dennoch egal, vielen aber nicht. Heute ist es unter Freunden Ehrensache Geheimnisse des anderen nicht weiterzugeben. Konsequenzen würde auch hier jeder ziehen, damit das nicht wieder vorkommt.

    Auf Vertrauen und Ehrensache kann man gerade in kapitalistischen Bereichen zwar hoffen, aber grundsätzlich nicht setzen. Der Gegenpol dient daher als Schutzschicht, damit trotz Vertrauensverlust auf der einen Seite und mangelnder Ehrenhaftigkeit auf der anderen Seite man ein Leben des status quo auch leben kann. Mit Versicherungen, Bankkonten, Kommunikationsverträgen, Einkünften und wo jeder dieser Punkte explizite Geheimnisse von einem trägt.

    • tante schreibt:

      Der Themenkomplex der erzwungenen Datenabgabe (zum Beispiel durch Staat) ist sicherlich nochmal gesondert zu betrachten, @fasel hat sich dazu auch schon einiges an Gedanken gemacht, da wird hier in Zukunft auch noch was zu kommen.

      Aber wo man den Staat zumindest noch weitgehend dazu bringen kann, Gesetze einzuhalten, so wird das in unserer globalisierten Welt bei Firmen immer schwieriger, gerade sobald diese keine KMUs mehr sind sondern globale Unternehmen: Dort ist es (nicht nur beim Datenschutz sondern beispielsweise auch bei Steuern oder der Forschung an Stammzellen) durchaus üblich, sich bestimmten ungewünschten Rechtskonstrukten zu entziehen, durch „verlassen“ des Landes.

      Wie bzw. ob auf dieser Basis noch irgendetwas wie Datenschutz oder sowas sinnvoll möglich sein kann ist ja genau die Frage, an der wir hier alle arbeiten.

    • bar schreibt:

      Das Zeitalter der Informationsgesellschaft, in dem die Möglichkeit alltäglich ist, Informationen de facto in Echtzeit rund um den ganzen Erdball auszutauschen, ist in meinen Augen die größte Revolution in der Menschheitsgeschichte, seit wir damals von den Bäumen runter sind. Und wir sind noch ausgesprochen weit davon entfernt, uns an diese Situation zu adaptieren.

      Das Leben, wie die Menschheit es seit -zigtausenden von Jahren praktiziert, ist ausgelegt auf begrenzte Räume: entweder örtlich begrenzt („mein Dorf, ja, die Felder drum rum auch, aber nicht weiter als bis zum großen dunklen Wald“) oder zeitlich begrenzt („die Zeit, die eine Nachricht von A nach B benötigt, ist (wenigstens) proportional zur Entfernung zwischen A und B“) oder aber zumindest in der Menge („je mehr Information ich von A nach B übermitteln will, umso mehr Zeit benötige ich“). Das alles ist in den vergangenen 200 Jahren so nach und nach in den Hintergrund gerückt – Entfernungen sind dank moderner Verkehrsmittel leichter zu überwinden, die Nachrichtenübertragung wurde (u.a. dank Funkverbindungen) deutlich beschleunigt, und Informationen sind inzwischen quasi überall in Echtzeit verfügbar.

      Und jetzt kommt ein wesentlicher Aspekt hinzu: war Informationsweitergabe früher ein eher gerichteter Prozess, so ist heute – vor allem im Internet und in den „sozialen Netzwerken“ das Gegenteil der Fall: Aktiv ist nur noch die Bereitstellung der Information, der Rest erfolgt fast ausschließlich ungerichtet. Und damit unkontrollierbar. Aber trotzdem in Echtzeit.

      Ich glaube, wir haben keine andere Wahl als uns darauf einzulassen – das Rad zurückdrehen geht nicht, resignieren war noch nie eine Lösung, und eine Welt ohne böse Menschen kann man sich zwar vorstellen, aber realistisch ist sie nunmal nicht. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.

      Will sagen: wir müssen lernen, uns selbst zu schützen, der Staat (oder sonstige Meta-Organisationen) kann uns allenfalls ein bisschen Grundrüstzeug an die Hand geben und ansonsten helfen, unfaire Spieler dranzukriegen. Mehr nicht.

      Konsequenz für mich: wann immer ich Informationen über mich im Web preisgebe, muss ich das im vollen Bewusstsein tun, diese Informationen in der gleichen Sekunde auch der Phishing-Mafia in Minsk zuzuspielen, und ich muss mir klar darüber sein, dass („verba volant, scripta manent“) ich diese Information nie wieder zurücknehmen kann. Ich denke, diese Einstellung in den Köpfen auch jener Zeitgenossen zu verankern, die ersticken, wenn man ihnen die Kopfhörer abnimmt, wird die Herausforderung der nächsten Jahrzehnte sein. Oder sich nach Art des Darwin selbst erledigen…

  5. Benni schreibt:

    Ein Passwort mag ein Geheimnis sein, aber es ist ein geteiltes Geheimnis zwischen mir und dem Dienstanbieter. Ein Passwort, dass ich nicht weitergebe, nutzt mir gar nichts. Hinkt da nur das Beispiel oder ist ein Geheimnis eben doch etwas komplizierteres als etwas, dass ich einfach für mich behalte? Für diese Diskussion relevante Geheimnisse sind wohl immer schon geteilte Geheimnisse. Der Dienstanbieter speichert meine Passwörter (oder deren Hashes) und der Datenschutz (u.a.) sorgt dafür, dass niemand sonst die sieht. Will man das wegspacken?

    Im übrigen finde ich die Idee Graffiti zu legalisieren gut. Wüsste nicht, was dagegen spricht, solange es keine funktionalen Einschränkungen gibt (Besprühen von Fenstern z.B.). Im Grunde ist eine Hausfassade ja eine Monopolisierung des öffentlichen Raumes (um mal ein Streetview-Argument umzudrehen).

    • tante schreibt:

      Die Passwörter, über die ich sprach (mein Laptop, mein Server usw) „teile“ ich mit mir als eigenem Dienstanbieter, aber wir wollen mal nicht spitzfindig sein 🙂

      Natürlich gibt es geteilte Geheimnisse, Deine PINs und TANs für die Bank funktionieren ja auch nur als ein solches. Was man sich da aber ins Boot holt, ist Vertrauen. Ich muss meinem Dienstanbieter vertrauen und zwar nicht nur, dass dort niemand böswillig ist und meine Daten verkauft oder missbraucht, sondern vor allem auch, dass dort so viel technische Kompetenz vorherrscht, dass keine Daten „leaken“ oder Fremde Zugriff auf die Datenbanken haben. Da scheitert dann eben leider jeder Datenschutz.

      Sicherlich ist es notwendig, dass wir dieses Risiko immer wieder eingehen, damit Dinge überhaupt funktionieren, es geht aber eben auch darum zu verstehen, dass genau das Risiko an dieser Stelle nicht rechtlich aufgefangen werden kann und dass Kontrolle hier eine Illusion ist. Wäre das Geheimnis nur bei Dir, hättest Du das Problem nicht. Es geht also vor allem um eine Risikoabschätzung: Vertraust Du Deiner Bank vollständig bzgl Kompetenz und guter Absicht? (Ja, sonst würdest Du Dein Geld da wohl nicht abladen). Vertraust Du Facebook? Vertraust Du Twitter? Dem Anbieter Deines Webspaces? Dem Admin der Firma in der Du arbeitest?

      • LFalkenburg schreibt:

        Beim Schlosser musst Du schon seit über 1000 Jahren aufpassen, dass er keinen Nachschlüssel Deines Heimes verkauft… willst Du deswegen die Tür immer offen lassen?

      • Til schreibt:

        Es geht nicht nur um Vertrauen, sonder auch um Konsequenzen, die ein „Diensteanbieter“ zu befürchten hat. Das bieten natürlich keinen 100% Schutz, aber den gibt es sowieso nicht.

        Zumindest wenn ein finanzieller Schaden entsteht kann ich definitiv Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn die Bank Sicherheitsvorschriften missachtet hat.

        Warum sollte das nicht übertragbar sein. Wie gesagt das ist kein 100% Schutz, aber Firmen wollen Geld machen und das Risiko finanzieller Schäden/Strafen zu erleiden könnte durchaus ein Anreiz sein Nutzerdaten besser zu schützen.

  6. De schreibt:

    @tante
    „Seit einigen Tagen nun verfolge ich aktiv die Kommentare in Richtung der und über die Spackeria und ich stolpere immer wieder über das Missverständnis, dass die Spackeria ja angeblich fordern würde, dass jeder und jede alles von sich veröffentlich sollten […]“

    nein, das ist kein Missverständnis, da der Seemann (@mspro Kulturwissenschaftler? Journalist??) dies sehr wohl fordert und dafür breite Zustimmung erhält:

    -> http://www.ctrl-verlust.net/vortrag-das-radikale-recht-des-anderen/

    sein Gesellschaftsbild, sein Bild des Menschen folglich zusammengefasst: Privatssphäre ist Öffentlichkeit.

    wir sind „Rudeltiere“, also der Einzelne funktioniert nicht ohne andere. fragt jemand nach mir (googelt z.B. meinen Namen), besteht Interesse und somit bin ich, weil jemand nach mir fragt, Teil der Gesellschaft. findet der Fragende nichts von mir, also halte ich mich raus (habe keine Accounts im Netz, es gibt keine Informationen über mich, weil ich entweder das Internet gar nicht nutze oder nur strikt anonym) oder gäbe es Datenschutz, also Mechanismen und Rechte wie z.b. das Recht am eigenen Bild und nutze diese Mechanismen, verhalte ich mich „unethisch“. der andere (jeder!) hat das radikale Recht an meiner Person, bestimmt so meine Zugehörigkeit zur Gesellschaft.

    da ich laut Seemann von selbst also nicht sein kann, sei ich auf andere angewiesen. da der Andere, da jeder das Recht auf Gedanken-, Meinungs- und Redefreiheit hat und Informationen frei und ohne jegliche Barrikaden fliessen müssen, ist er auf Informationen angewiesen. und dies gilt für Seemann grundlegend.

    und auch Julia Schramm (Politikwissenschaftlerin?) hat (in ihrer ernsthaften durchdachten Art) schon gesagt: akzeptiere die Grundwerte der „Datalove“ oder halte dich raus.

    verhalte ich mich unethisch, verweigere der Öffentlichkeit meinen Namen, Adresse und vor allem persönliches (Religion, Sexualität, Einkommen, politische Einstellungen usw.) stehe ich also der Freiheit der Anderen im Weg; ich schliesse mich aus. ich bin nicht Teil der Gesellschaft, existiere und lebe aber dennoch in ihr und somit schränke ich die Grundrechte der Anderen ein.

    das ist ein ganz schreckliches Weltbild und daraus kann nur eine gefährliche Ideologie entstehen.

    ihr vergesst ALLE völlig das Individuum:

    in vielen Artikeln versucht ihr zu erfassen, was Privatssphäre eigentlich ist, aber nicht offen, sondern schon mit dem Ziel, dass es diese nicht gibt, besser nicht geben sollte. ihr vergesst völlig mein Ego, jeden Einzelnen: ich bin erwachsen und mündig, gehöre durch Geburt oder eben blosser Existenz nicht „der“ Gesellschaft automatisch an (ich muss nicht die Regeln einfach akzeptieren, in die ich reingeboren wurde, ich habe das Recht (politisch) gegen sie anzugehen, wenn ich z.B. meine Freiheit, meine Würde in Gefahr sehe; natürlich bedeutet das noch kein Recht auf Erfolg).

    Privatssphäre ist nicht zu definieren. ihr versucht „den“ Menschen und „das“ Leben zu definieren und von oben herab zu gestalten.

    ich gehe raus, ich bestimme (natürlich dank Erfahrungen und mit (!) anderen, durch Lernen und weil ich bestimmte Ziele habe, mich für einen Lebensstil, der sich jederzeit ändern kann, entscheide) wie mein Leben aussieht. ich teile mich mit, soweit ich das will und kann, und der Adressat, mein Gegenüber in der Öffentlichkeit entscheidet, ob er mich annimmt. es geht von mir aus. und so sieht Zusammenleben aus. auf Augenhöhe, nicht hinterrücks.

    ps: ich kaufe euch auch nicht ab, dass ihr lediglich „datenschutzkritisch“ seid. ihr verbreitet bestenfalls nur Ideen, schlimmstenfalls eben eine Ideologie.
    und dass ihr, insbesondere die Schramm musste da schon durch (-> Spon-Interview), einerseits ausgelacht und natürlich scharf kritisiert werdet sollte euch nicht wundern.

    in Blogs und via Twitter, wie ich euch und eure Diskussionen verfolge, seid ihr grösstenteils albern, einfach und polemisch („Privatssphäre ist auch der Ort, an dem Ehemänner ihre Frauen schlagen“). und in meinen Augen sind Leute wie Seemann und Schramm auch sehr auf Aufmerksamkeit a la Sascha Lobo aus, reinste Selbstdarsteller, die ein bisschen Ruhm geniessen (und das meine ich noch nicht einmal beleidigend; ich hoffe sogar, dass das der Fall ist und ihr nicht ernsthaft für diese Ideologie des menschenfeindlichen radikalen Rechts der Anderen kämpft).

    geht gar nicht, ich mache da nicht mit. und ich hoffe wirklich, dass weiterhin technisch und politisch für die Grundrechte wie die Würde des Menschen gekämpft wird, und ich hoffe, dass die meisten nicht einfach aufgeben werden, weil Datenschutz und somit Grundrechte ( Menschen- und Bürgerrechte) ja angeblich „eh nicht funktionierten“. ja, Datenschutz wie wir ihn bisher kannten reicht nicht aus, doch können wir nicht einfach aufgeben.

    und eins noch: ich habe bei der letzten BTW die Piraten gewählt; ihr sagt zwar die „Spackeria“ spricht nicht für die Partei, doch seid ihr fast alle Mitglieder, Kandidaten oder Wähler. ich werde die Piraten weder in Berlin noch in Zukunft wieder wählen.

    • Merovius schreibt:

      Mal jenseits davon, dass ich atm auch nicht wirklich begeistert von den Piraten bin und die so genannte „Spackeria“ für im Wesentlichen Denkbefreit halte – aus „Spackeria ⊂ Piraten“ auf die Wählbarkeit letzterer zu schließen ist mehr als dov, weil eben „⊂“ nicht das gleiche ist wie „=“. Wie gesagt, ich sag nicht, dass du Piraten wählen sollst, nur, dass, wenn _das_ der Grund ist, das ein furchtbar schlechter ist 😉

  7. Thomas Maier schreibt:

    Interessanter und guter Artikel. Die Stellung des Geheimnisses muss aber auf jeden Fall noch spezifiziert werden – das ist mir noch zu viel Grauzone. Ob man die Trennung so ganz einfach „platt“ dort ziehen kann wo man etwas aus seinem eigenen Kopf (zb Passwort) irgendwohin trägt? Was ist mit dem Passwort das per Zufall veröffentlicht wird? Etc.

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