Die Schufa sammelt Daten über Menschen, um eine Schätzung abzugeben, ob diese Menschen kreditwürdig sind. (Das tut sie übrigens schon seit 1952.) Diese Dienstleistung ist nützlich bzw. sogar essentiell für viele Firmen, die sonst nicht in der Lage wären ihre Risiken um Umgang mit ihren Kunden einzuschätzen. Auch werden Menschen über diesen Mechanismus unter Umständen vor einer immer weiter eskalierenden Überschuldung geschützt.
Nun möchte die Schufa beginnen, soziale Netzwerke wie Facebook mit in die Auswertung einzubeziehen und die Reaktionen sind wie es zu erwarten war: Viel relativ unreflektierte Panikmache.
Dabei ist die Diskussion um die Schufa keine datenschützerische sondern eine über Monopole: Das Problem liegt darin, dass die Schufa intransparent eine Zahl auswürfelt, die ganz massive Macht über das Leben eines Menschen haben kann.
Bisher tut sie das zu großen Teilen über öffentliche Daten. Sie schätzt Bezirke und Straßen ein und sortiert alle Einwohner in diese Kategorie ein (dabei werden so Faktoren einbezogen wie beispielsweise „Wie gute gepflegt sieht das Haus aus?“). Die Kategorisierung anhand solcher Daten ist wahnsinnig ungenau. Wenn man dann noch hinzu zieht, dass die Schufa immer wieder Probleme hat, Menschen gleichen Namens auseinanderzuhalten ergibt sich eine nicht besonders hohe Qualität oder Fairness der Zahl: „Meine“ Bewertung folgt nur zum Teil aus meinen Handlungen.
Wenn die Schufa ihre Bewertung nun klarer auf die Einzelperson stützen möchte, ist das zu begrüßen, denn es ist deutlich humaner. Die andere Alternative wäre, weiterhin anhand von Daten beurteilt zu werden, auf die man kaum Einfluss hat und die mit mir als Individuum nichts zu tun haben.
TL;DR.: Die wirkliche Frage ist, wie man die Monopolstellung und Intransparenz der Schufa angehen will und nicht, ob sie die Bewertung auf die Handlungen des Menschen stützt oder nicht.
Womit begründest du die Monopolstellung, die Schufa ist ja nicht die einzigste Rating Agentur. Aber im Gegensatz zu der Darstellung bezieht sie sehr wohl die persönlichen Finanzverhältnisse mit ein (Kredit und Ratenverträge, besonders Versäumnisse).
Monopolstellung: Die Schufa ist schon der große Player im Ring. Klar gibts noch andere, aber das ist wie Linux als Konkurrenten zu Windows zu betrachten: Formal richtig, inhaltlich aber eher nicht so.
Und natürlich rechnet sie _auch_ persönliche Daten (so sie die hat) ein, hat sie aber nicht immer. Je weniger Du mit ihr und ihren Partnern in Kontakt bist, desto weniger Daten über DIch hat sie. Aber sie schätzt Dich ein, dann eben anhand der öffentlichen Daten über Dich, die sie findet.
Die (quasi-)Monopolstellung der Schufa ist in ihrer Aufgabe (ihrem Produkt) begründet. Man kann also von einer Art natürlichem Monopol sprechen. Die Kunden der Schufa sind daran interessiert mit einer möglichst großen Auskunftei zusammenzuarbeiten, die sehr viel über sehr viele Menschen weiß und das tut sie, wenn sie auch viele Kunden hat, die wiederum über ihre Gläubiger Auskunft erteilen – klassischer Skaleneffekt. Daher ist es irrsinnig davon auszugehen, dass in diesem Bereich ein freier Markt entstehen kann.
Außerdem ist fraglich, ob es überhaupt erstrebenswert ist, wenn viele Unternehmen Daten von Leuten sammeln. Die Daten wären dann nicht auf diese Unternehmen verteilt, sondern es wäre eher davon auszugehen, dass dieselben Daten bei allen gesammelt (und ggf. ausgetauscht) würden. Viele einzelne dieser Unternehmen zu kontrollieren um Transparenz zu gewährleisten könnte noch schwieriger sein, als ein einzelnes. Es ist für mich daher eine Frage der staatlichen Kontrolle/Aufsicht/Regulierung, aber der Monopol-Aspekt ist dabei nebensächlich.
Der andere Aspekt an der Schufa-Facebook-Geschichte ist, dass darüber unter Umständen gezielt negative Rankings für bestimmte Personen erzeugt werden könnten (Erstellung von Fake-Profilen für verhasste Personen) – das wäre dann nicht besonders „human“.
Nun, sicherlich war so ein Kommentar zur Schufa-Projekt-Debatte von der Spackeria zu erwarten. Im Grunde genommen wird auch der Kern getroffen: Nicht das Projekt an sich ist das große Problem, sondern die fehlende Transparenz. Diese Instransparenz wird bei der Schufa schon seit jeher gelebt, der Algorithmus hinter dem Scoring wie das Coca Cola-Rezept gehütet.
Die Pressemitteilung der Schufa zum Forschungsvorhaben war sehr oberflächlich, es war nur von Daten im Web die Rede. Erst die vertraulichen Informationen, die dem NDR vorlagen, haben konkreter gemacht, was da tatsächlich geplant war. Das hätte die Schufa von Beginn an erwähnen sollen.
Grundsätzlich bleibt das, was sich in sozialen Netzwerken abspielt Privatssphäre. Grundsätzlich bleibt das, was ich über jemanden (bzw. ein Unternehmen) schreibe, freie Meinungsäußerung. Ein negativer Tweet oder „kritischer“ Follower dürfen nicht meine Bonität bewerten. Und grundsätzlich stellt sich die Frage, wann die Datengrenzen erreicht sind, um über mich einen Wahrscheinlichkeitswert zu berechnen. Denn ich wage es enorm zu bezweifeln, dass meine Handlungen im Web (Blog, Twitter, Facebook) oder gar meine Beziehungen im Web etwas über meine Bonität sagen. Es bestehen derzeit noch zu viele Möglichkeiten, unwahre Angaben zu machen (Fake-Profile, Fake-Freunde, Fake-Lebenslauf), als dass man daraus Tatsachen ableiten kann.
Auch glaube ich nicht, dass die Schufa durch ihre Monopolstellung bzw. Dienstleistung für andere Unternehmen etwas ändern würde, was das Sammeln von Daten durch diese angeht. Schon heute geht der Trend dorthin, dass Unternehmen das (social) Web crawlen. Das hat positive Aspekte (Verbesserte Kundenbindung), aber auch negative (Data mining, Negative Bewertung als Kunde).
Übrigens streite ich nicht ab, dass Schufa-Abfragen ihre guten Seiten haben und sicherlich manche Menschen vor Schulden bewahrt haben. Auf der anderen Seite kenne ich genügend Beispiele, in denen eine Meldung an die Schufa zur Existenzgefährdung beigetragen hat oder eben auch einen Kaufvertrag nicht hat entstehen lassen, obwohl es für beide Seiten gut gewesen wäre.
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